Die coole Blonde

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Von New York bis ins kleine Ulm in der Ortenau sind es 6.200 Kilometer Luftlinie. Und auch sonst dürfte es sich an dieser Stelle wohl erübrigen, auf die Unterschiede dieser beiden Orte einzugehen. Für Katharina Waldhecker gehören trotzdem beide irgendwie zusammen. Bauhöfers Brauereichefin kennt beide Welten. Und am Ende hat sie sich für die wesentlich beschaulichere entschieden: für das 2.000-Seelen-Örtchen, in dem ihre Familie seit fast 170 Jahren ihr Bier braut. Dabei hätte die heute 28-Jährige auch Broadway-Star werden können ...

 

Wenn Katharina Waldhecker in ihrem Ulmer Büro die Geschichte ihrer New-York-Episode erzählt, klingt sie besonders abstrakt. Erst recht, wenn bei geöffneten Fenstern gegenüber die Glocken der Dorfkirche läuten und unten auf dem

Hof der Familienbrauerei Bauhöfer ein paar Elektrostapler über den Hof surren.

 

Aber der Reihe nach: Während ihrer Tanzausbildung in Freiburg wurde sie für das Hamburger Ballett entdeckt. In der Hansestadt wurden Talentscouts aus den USA auf die gebürtige Offenburgerin aufmerksam. Und plötzlich war Katharina von heute auf morgen Teil einer Musical Crew am Broadway. 2016 war das. Doch irgendwann wurde der jungen Frau klar:

„Das ist einfach nicht ganz meins“, erzählt sie. Dafür wurde Katharina Waldhecker bewusst, was sie eigentlich wollte: Familie.
Heimat. Kurzum: die Familienbrauerei zu Hause in eine gute Zukunft führen. In fünfter Generation ...

 

Von der Bühne auf den Chefsessel - von jetzt auf gleich ging das natürlich nicht. Auch wenn Waldhecker als Kind und Jugendliche immer nah an der Brauerei dran war. Mit Opa Eugen Bauhöfer durfte die kleine Katharina immer mal wieder auch zu Kundenterminen mit. Um eine Brauerei mit rund 30 Mitarbeitern und einer Brauleistung von 50.000 Hektolitern zu leiten, brauchte es aber noch ein bisschen mehr. „Das war mir bewusst“, sagt die Brauereichefin, die bereits vor

ihrer Zeit in New York ein duales Betriebswirtschaftsstudium in Schwenningen absolviert hatte. Zu Hause kamen die Ballettschläppchen also erst mal an den Haken. Stattdessen schnappte sich Katharina den Laptop und ging an den Chiemsee ins Hofbräuhaus Traunstein. Dann weiter zu Dinkelacker nach Stuttgart – wie Bauhöfer eine Familienbrauerei – und zu guter Letzt in eine Werbeagentur. Erfahrungen und Ideen sammeln.

 

Bauhöfer 2

 

2019 kam Katharina Waldhecker zurück. 25 Jahre alt und zunächst mit viel Respekt. Ist sie der Herausforderung bereits gewachsen? Wie wird die Belegschaft reagieren? „Manche Mitarbeiter kannten mich ja noch als Baby, die haben mich hier früher zwischen den Bierkisten herumgetragen“, sagt die Chefin und lacht. Aber vielleicht war gerade das der Grund, warum von Anfang an alles gleich so passte, als wäre schon immer klar gewesen, dass es eines Tages genau so kommen würde. „Ich wurde toll aufgenommen und von meinem Vorgänger Siegbert Meier sehr gut eingearbeitet“, sagt Katharina Waldhecker.

Meier hatte zuvor fast 20 Jahre die Geschäfte geleitet und blieb der Brauerei in beratender Funktion erhalten. 

 

Seit 1. Januar 2020 ist Waldhecker nun kaufmännische Geschäftsführerin und legte direkt los. Eine ihrer ersten Amtshandlungen: Es gibt nicht nur neue, schmucke Etiketten, sondern auch direkt einen neuen Markennamen. Aus Ulmer Bier wird Bauhöfer - ein mutiger Schritt. „Wir sind eine Familienbrauerei, das dürfen wir auch gern im Namen tragen“,

sagt sie dazu. Zudem sei es für die Ulmer immer blöd gewesen, außerhalb der direkten Umgebung erklären zu müssen, dass ihr Bier eben nicht aus der schwäbischen Stadt mit dem Münster komme. Die Kernmarke gleich mal komplett umzustellen, ist eine Entscheidung mit Tragweite. Schließlich muss das am Ende die Kundschaft nicht nur mitkriegen, sondern auch gutheißen. Die praktische Umstellung hat dann auch ihre ganz eigenen Tücken. Neue Bierdeckel und -kisten, neue Etiketten, neue Gastroschilder, neues Marketing. „Gut, dass mir am Anfang noch nicht so klar war, was da alles dahintersteckt“, sagt Katharina und schmunzelt.

 

Doch der Markenwechsel klappt. Das Feedback von Handel und Kundschaft ist fast durchweg positiv. Glaubwürdig ist das neue Image der Familienbrauerei ohnehin, das wissen die Menschen in Ulm und Umgebung. Die Belegschaft stand bei dem Manöver auch sofort hinter der neuen Chefin.

 

Bauhöfer 1

 

Und die Entscheidung fiel am Ende auch nicht allein. „In so einem kleinen Unternehmen müssen wir das, was wir machen,

ja alle gut finden“, sagt sie. Zumal die Bauhöfer-Enkelin auch nicht als alleinige Geschäftsführerin die Geschicke des Familienbetriebs leitet. Ihre Großcousine Elisabeth Bauhöfer kümmert sich ums Qualitätsmanagement, Elisabeths Mann

Alexander Schneider steht als Braumeister am Kessel. „Wir bringen uns alle ein. Aber am Ende muss halt jemand die

Entscheidung treffen und umsetzen“, so die Brauereichefin.

 

In puncto Sortiment und Qualität soll indes erst mal alles beim Alten bleiben. Auch die Craft-Beer-Welle ist in Ulm kein Thema. „Dieser Trend hat der Branche gutgetan, zu uns passt er aber nicht“, stellt die Chefin fest. Denn bei aller Erneuerung: Altbewährtes muss ja nicht schlecht sein. „Wir sind als Brauerei auch deshalb groß geworden, weil wir offenbar über Jahrzehnte hinweg verlässlich gutes Bier gemacht haben“, sagt Katharina Waldhecker, die gerade eine Babypause

macht. Und das solle bitte schön so bleiben. Vielleicht ja dann irgendwann auch noch in sechster Generation ...

 

 

Text: Stephan Fuhrer

Foto: Jan Rei